Bedrückend in seiner wortreduzierten Poesie erzählt der Roman den Wert des Lebens, die jugendliche Ohnmacht über staatliche Ungerechtigkeit und die bleierne Sinnlosigkeit der Todesstrafe.
Inhalt: Joe hat seinen Bruder seit zehn Jahren nicht gesehen, denn dieser sitzt in der Todeszelle. Aber jetzt wurde Eds Hinrichtungsdatum festgelegt und Joe ist wild entschlossen, diese letzten Wochen mit seinem Bruder zu verbringen. Joe hat es ganz und gar nicht leicht im Leben. Schon in seiner Kindheit musste sich die Familie mit Geldsorgen plagen und Joes Mutter kämpft mit ihrer Sucht und kümmerte sich nicht ausreichend um ihre drei Kinder. Doch als Joes großer Bruder Ed in Texas des Mordes an einem Polizisten beschuldigt wird und in den Todestrakt einzieht, bricht die Familie komplett auseinander. Trotz eines Anwalts stehen die Chancen für Eds überleben nicht gut und kurzerhand beschließt Joe, Ed nach zehn Jahren im Gefängnis aufzusuchen und seinem Bruder beizustehen. Doch Ed ist nicht mehr der, den Joe vor zehn Jahren verloren hat. Wer ist Edward Moon heute und ist er tatsächlich schuldig? Ist die Frage überhaupt noch wichtig, wenn auf die Hinrichtung gewartet wird? Wie kann ein Leben im Warten auf den Vollzug der Todesstrafe gelebt werden? Bleibt es lebenswert? Sind Menschen, die eine verhängte Todesstrafe vollziehen, Mörder? Was kann man vergeben? Und wie verabschiedet man sich? Welche Aufgabe hat Justiz und dabei die Bestrafung mit dem Tod? Wem hilft der Tod? Wer macht sich schuldig und was ist nicht entschuldbar?
Jurystimme: „Ein Roman in Versform, der Fugen lässt, groß genug, um sich formende Gedanken in aufkommende Gefühle zu hüllen. Befreit von allem Wortballast, um das Wesentliche zu servieren, auch weil erst der Tod das Leben so lebenswert macht.“
In dem Buch werden die Geschichten verschiedener jüdischer Familien in den Niederlanden zu Zeiten des Nationalsozialismus aus der Perspektive der Kinder erzählt. Es geht um den Holocaust: Gegen das Vergessen, gegen Diskriminierung und gegen Verfolgung.
Inhalt: Im ersten Teil beginnen die Geschichten von Bennie, Klaartje, Rosa, Jules und Leo. Das Leben der Kinder ist durch verschiedene Verbote sehr eingeschränkt – nicht einmal mehr auf dem Spielplatz dürfen sie sich aufhalten. Aber es kommt noch schlimmer. Die Familien werden nach und nach von der Polizei abgeholt. Manche Familien versuchen vorher zu flüchten, andere versuchen ihre Kinder bei Bekannten zu verstecken, um sie vor dem Lager Westerbork zu schützen. Im zweiten Teil werden die Kinder und ihre Eltern dabei begleitet, wie sie versuchen sich ihrem neuen Leben im Lager anzupassen. Einige überleben bis zur Befreiung und sind erneut neuen Herausforderungen ausgesetzt.
Jurystimme:
‚‚Ein sehr emotionales Buch, das einem die Schrecken des Nationalsozialismus wieder deutlich vor Augen führt. Auch als erwachsene Leserin war das kein leicht verdauliches Buch, das mich sehr berührt hat. Daher würde ich ganz klar empfehlen, das Buch mit Kindern gemeinsam zu lesen und zu besprechen. Insbesondere für Kinder ist die Auseinandersetzung mit so komplexen und vielschichtigen Themen keine leichte. Es ist aber eine wichtige. Definitiv lesenswert – nicht nur für Kinder!‘‘
übersetzt von Nina Frey, 416 Seiten, dtv, 10,95 Euro, ab 14
ISBN-10: 3423718013 ISBN-13: 978-3423718011
Rezension: Sandra Niebuhr-Siebert
Vielfaltmerkmale: Diskriminierung von Geschlechtern, insbesondere des weiblichen Geschlechts
KIMI-Faktor:
Das Buch zeigt den täglich gelebten Sexismus, besonders den am
weiblichen Geschlecht. Diese ständigen, vielen kleinen Beschädigungen, die
marginalisiert, verinnerlicht und übersehen werden. Gegen die uns die Kraft
fehlt, sie anzusprechen, der Mut gegen sie vorzugehen, weil Themen von Sexismus
(oft nur noch) müde belächelt werden, noch bevor sie ausgesprochen sind.
Dieses Buch sensibilisiert für die vielen, vielen kleinen Sexismus-Attacken
im Alltag, macht Mut sie anzusprechen und gibt Kraft, sich zu (wieder) wehren.
Inhalt:
Lottie geht im letzten
Jahr zur Highschool und ist entsetzt vom Sexismus, der ihr immer wieder im
Alltag begegnet: Ihr auf der Straße hinterherpfeifende Lastwagenmänner; kleine Mädchen,
die in süße rosa-rüschige Kleidchen gesteckt werden, in denen sie kaum spielen
und sich noch weniger bewegen können; empfundene Scham für wachsende Brüste und
Körperbehaarung, die nur bei Jungs und Männern, aber nicht bei Mädchen und
Frauen sprießen darf. Tampon-Werbung, die gegen Geruchsbelästigung und für
Sauberkeit wirbt, als wäre Menstruationsblut dreckig und geruchsbelästigend.
Körperempfindungen, die Mädchen und Frauen und mir immer das Gefühl geben,
nicht zu genügen, weil alle Welt insbesondere weibliche Körper photoshopt und
weiß, wie ein weiblicher Körper auszusehen hat, der aber mit dem eigenen nichts
zu tun hat. Mädchen, die ihre Hintern abfotografieren und sich der Größe nach
sortieren lassen; das empfundene Misstrauen gegen Frauen, die schlau und hübsch
sind. Die Beschimpfungen „Schlampe und Hure“ für Mädchen, die sich gern
verlieben und sich in der Liebe ausprobieren wollen und im starken Kontrast zu
den gefeierten männlichen „Supercheckern“ stehen… Lottie beschließt etwas zu
unternehmen: vier Wochen lang wird sie auf jede sexuell diskriminierende
Situation mithilfe einer Hupe aufmerksam machen. Unterstützt wird sie dabei von
den Spinster Girls Evie und Amber, ihren Freundinnen, mit denen sie den
Spinster Club gegründet hat: Normale Mädchen, die stark sind, sich nichts sagen
lassen und trotzdem gern küssen.
Um noch mehr
Aufmerksamkeit auf Lotties Aktion zu lenken, ist Will, ein Schulkamerad, als
Kameramann dabei. Dieser kann mit Feminismus nicht viel anfangen, gibt er
zumindest vor. Die von ihm im Internet veröffentlichten Clips verhelfen Lottie
über Nacht zu landesweiter Bekanntheit. Die Aktion ist erfolgreich, macht
Lottie aber auch zu schaffen, weil riesige Gebirge von Frauenhass vor ihren
Augen wachsen. Zudem ist sie verwirrt, da sie Gefühle für Will entwickelt. Als
ob das alles nicht schon genug wäre, steht auch noch das Vorstellungsgespräch
an der Cambridge Universität an. Auf dieses Gespräch bereitet sie sich seit
Jahren vor. Doch jetzt ist sie sich gar nicht mehr so sicher, welchen Weg sie
eigentlich gehen möchte.
Das sagt die Jugendlichen-Jury:
Große Begeisterungsstürme für die Spinster Girls! Der erste Titel dieser Trilogie wurde von der Jury bereits heiß geliebt. Die Idee, jeden Band aus der Sicht eines der Spinster Girls zu erzählen, kam bei den Jugendlichen gut an und es fiel ihnen leicht, sich in die beiden Mädchen hineinzuversetzen. Nicht nur der Schreibstil gefiel, auch das große verbindende Thema der Reihe „Feminismus“ wurde gut in die Geschichten integriert und regte die Leser*innen oftmals zum Nachdenken an. Während der zweite Teil vielen die Augen in Bezug auf Alltagssexismus öffnete, bot der erste Band zudem eine realistisch anmutende Darstellung des Themas Zwangserkrankung und schnitt das Thema Integration in der Gesellschaft an. Auch die Cover überzeugten die Jury auf ganzer Linie: coole Covergestaltung und treffende Titelformulierungen. Der dritte Band wird sehnlichst erwartet.
Das sagt die Erwachsenen-Jury:
In diesem Band steht das Mädchen Lottie von den Spinstergirls im Mittelpunkt, die mutig und kraftvoll den Kampf gegen den alltäglichen Sexismus aufnimmt. Natürlich sind ihre Spinster Freund*innen auch dabei. Lottie ist lebendig und steckt ihre Leser*innen an über die eigenen Erfahrungen nachzudenken. Das Buch öffnet Augen und gibt Kraft, sich als Mädchen und Frau stark zu fühlen, so stark, dass sich unausgesprochene eigene Erfahrungen wie Heuchelei anfühlen. Dass Lottie sich verliebt, macht sie noch sympathischer, dass sie mit ihren Gefühlen zu Will hadert, macht das Feminismusdilemma überdeutlich: „Wann bin ich, ich? Wann bin ich Frau? Wann werde ich in der Rolle der Frau diskriminiert?“ Dieses Buch schenkt Gefühle, Mut, Kraft, öffnet Augen und gibt Denkanstöße. Ich jedenfalls habe nun meine Trillerpfeife dabei.
Kimi-Faktor: Kraftvoll und spannend weckt das Buch Widerstandsgeist und Solidarität.
Ghost ist schnell. Das rettete ihm in seiner Kindheit das Leben, als er vor seinem Vater davonrannte, der ihn und seine Mutter erschießen wollte. Der Gedanke, Laufsport zu betreiben, kam ihm nie in den Sinn. Zufällig gerät er jedoch in die Aufnahmeprüfung einer Laufmannschaft und der Trainer überzeugt ihn, dem Team beizutreten. Bis dahin war Ghosts Leben vor allem eins: schwierig. Seine Mutter und er haben wenig Geld, in der Schule wird er wegen seiner Klamotten ausgelacht und er reagiert darauf, indem er Mist baut. Durch den Einfluss des Trainers verändert sich Ghosts ganzes Leben und das Laufen beginnt ihm zu gefallen. Überraschenderweise findet er Halt bei den anderen neuen Mitgliedern der Mannschaft. Lu, Patty, Sunny und Ghost unterstützen sich gegenseitig und schon bald steht der erste Wettkampf an. Ghost geht in seinem neuen Mannschaftstrikot an die Startlinie, seine Mutter sitzt stolz im Publikum und Ghost möchte jetzt nur noch eins: Gewinnen!
Das sagt die Jugendlichen-Jury:
Dass die jugendlichen Protagonist*innen krasse Schicksäle erfahren, war ein erstes Fazit aus der Jugendjury. Die einschneidenden Erfahrungen von Patina und Ghost berührten und ihre Geschichten wurden von den Jugendlichen gerne verfolgt. Es fiel ihnen nicht schwer, mit den beiden Protagonisten mitzufühlen. Trotz der vielen schweren Themen, die beide Bücher enthalten, empfanden die Jugendlichen Reynolds‘ Schreibstil als einfach und gut zu lesen. Die Schicksäle von Ghost und Patina über den Laufsport zu verbinden ist ungewöhnlich. Es bleibt spannend, welche Geschichten sich hinter den anderen beiden neuen Mannschaftsmitgliedern verbergen. Auch von außen überzeugte Jason Reynolds‘ Reihe die Jugendjury: Eine coole Covergestaltung, die super zum Inhalt passt.
Das sagt die Erwachsenen-Jury:
Die ersten beiden Bände dieser Trilogie überzeugen durch die flotte Sprache und die vielschichtigen Porträts der Charaktere. Reynolds gelingt es, authentisch die Perspektive Schwarzer Jugendlicher aus der den USA wiederzugeben, die alle in mehr oder weniger ärmlichen Verhältnissen leben. Anschaulich vermittelt das Buch ihre Sorgen und Kämpfe, aber auch ihre Hoffnungen. Spannend und mit einer Prise Humor erzählen die beiden Bände auch von Widerstandsgeist und der Kraft der Solidarität.
übersetzt von Nina Frey, 416 Seiten, dtv, 10,95 Euro, ab 14
als eBook erhältlich
ISBN-10: 3423717971 ISBN-13: 978-3423717977
Vielfaltsmerkmale: Leben mit einer psychischen Störung, Sexismus, Freundschaft, Identität
Kimi-Faktor:
Das Buch
sensibilisiert für den Umgang mit psychischen Störungen und zeigt, dass es
nicht an Aufklärung, sondern eher an Distanzlosigkeit mangelt. Vorschnell
werden Störungszuschreibungen vorgenommen, die ernsthafte Erkrankungen
maginalisieren.
“Spinster Girls – Was ist schon normal” ist das erste Buch einer dreiteiligen Reihe, in der jeweils eine von drei Freundinnen die Hauptrolle spielt. In Band 1 ist das Evie. Sie möchte endlich ein “normales” Teenagerleben führen. Daran war bisher nicht zu denken, aufgrund einer Zwangsstörung ist ihr Leben komplett aus den Fugen geraten. Was das heißt? Evie hat mit dem Essen aufgehört, weil sie glaubte, dass in Lebensmitteln krankmachende Erreger stecken. Egal was sie anfassen musste, überall fasste sie in Krankmachendes. Eine kurze Erlösung war das sich Waschen. Immer und immer wieder. Jetzt können die Medikamente jedoch langsam abgesetzt werden und Evie freut sich darauf, sich zurück ins Leben zu stürzen. Auf ihre beste Freundin muss sie dabei jedoch verzichten: Jane hat nur noch Augen für ihren neuen Freund. Zum Glück trifft Evie da bei ihrem ersten Date (das sich als Katastrophe herausstellt!) auf Amber und Lottie. Genervt von den ganzen Jungsproblemen gründen sie den Spinster Club: Hier diskutieren sie über feministische Themen und machen sich gegenseitig stark. Dabei diskutieren sie heftig u.a. auch darüber, ob heterosexuelles Verlieben kompatibel sein können mit Feminismus, und wenn ja, was bedeutet das konkret? Von ihrer Krankheit erzählt Evie ihren neuen Freundinnen jedoch nichts – auch nicht, als es zu einem Rückfall kommt. Der über alles stehende Wunsch nicht aus der Norm zu fallen hindert Evie daran, sich ihrer Familie und ihren Freundinnen anzuvertrauen und bringt sie an ihre Grenzen. Nach und nach lernt Evie mit ihren negativen Gedanken umzugehen, lernt ihre Gedankenwelt selbst zu steuern, unterstützt durch ihre Familie, ihre Freundinnen und ihre Therapeutin, einen für sie machbaren Weg zu finden. Am Ende stellt Evie fest: Was ist denn eigentlich schon normal? Was das Buch auch zeigt, ist, dass der Umgang mit psychischen Erkrankungen gegenwärtig teilweise respektlos ist. So sind Menschen in unserer Gesellschaft zwar über einige psychische Krankheiten gut aufgeklärt, aber Wörter wie Zwangsstörung oder Panikattake werden maginalisiert und verharmlost, wenn sich Jede*r, die gern Ordnung hält und Angst vor einem Referat als „Zwangi“ oder als Mensch mit einer Panikattacke bezeichnet.
Das sagt die Jugendlichen-Jury:
Große Begeisterungsstürme für die Spinster Girls! Die ersten beiden Titel dieser Trilogie wurden von der Jury heiß geliebt. Die Idee, in jedem Band aus der Sicht eines der Spinster Girls zu erzählen kam bei den Jugendlichen gut an und es fiel ihnen leicht, sich in die beiden Mädchen hineinzuversetzen. Nicht nur der Schreibstil gefiel, auch das große verbindende Thema der Reihe „Feminismus“ wurde gut in die Geschichten integriert und regte die Leser*innen oftmals zum Nachdenken an. Während der zweite Teil vielen die Augen in Bezug auf Alltagssexismus öffnete, bot der erste Band zudem eine realistisch anmutende Darstellung des Themas Zwangserkrankung und schnitt das Thema Integrierung in der Gesellschaft an. Auch die Cover überzeugten die Jury auf ganzer Linie: Coole Covergestaltung und treffende Titelformulierungen. Der dritte Band wird sehnlichst erwartet.
Das sagt die Erwachsenen-Jury:
Psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft durchaus noch immer tabuisiert. Der Autorin gelingt es, einen Jugendroman zu schreiben, in dem Evies Zwangsstörung einfühlsam und nicht überpräsent thematisiert wird. Evie steht vor der gleichen Herausforderung wie alle Jugendlichen: das Finden einer eigenen Identität, das Bedürfnis nach Freundschaft und die Sehnsucht nach Liebe. Durch das Lesen dieses Buches bekommt man eine Ahnung davon, was es heißt, ein Jugendleben irgendwo zwischen scheinbarer Normalität und psychischer Erkrankung zu führen und eine Zwangsstörung neben allen sonstigen Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens zu meistern. Die flotte Sprache und humorvolle Szenen lockern das Buch auf und beweisen, dass auch tabuisierte Themen spannend erzählt werden können.