Jenny Jägerfeld: Comedy Queen

erschienen bei Urachhaus, ab 10 Jahren

Vielfaltskriterien: Suizid der Mutter, Freundschaft

KIMI-Faktor: Wie kann ein Kind über den Selbstmord der eigenen Mutter hinwegkommen?

Inhalt: Sasha ist 12 Jahre alt, als ihre Mutter Selbstmord begeht. Wie soll sie das verkraften? Sie will nicht traurig sein und weinen wie ihr Vater. Deshalb macht sie eine Liste. Die Dinge, die sie auflistet, sind Dinge, die sie anders machen wird als ihre Mutter. Es sind genau 7 Dinge, die sie tun will, um zu überleben: Ihre Mutter hatte lange Haare, Sasha dagegen rasiert sie sich ab. Damit ist Punkt 1 „Haare abschneiden“ erledigt. Auch der Vorsatz „Keine Bücher mehr lesen“ lässt sich einfach umsetzen, bringt allerdings in der Schule keine Sympathiepunkte. Sasha arbeitet akribisch ihre Liste ab, doch die Trauer klebt an ihr. Keine guten Voraussetzungen, um Comedy Queen zu werden. Denn Stand-up-Comedy zu machen, das ist Sashas größter Wunsch. Ihre Mutter hat die Leute zum Weinen gebracht, Sasha will, dass die Menschen lachen.

Jurystimme: „Wie kann man die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen überwinden, wie die Wut loswerden? Wahrscheinlich gar nicht. Aber man kannweiterleben, stur einfach weitermachen.“

 

Susin Nielsen: Adresse unbekannt

illustriert von Leslie Mechanik, erschienen bei Urachhaus, ab 11 Jahren

Vielfaltskriterien: Armut, Sozio-ökonomische Verhältnisse, Freundschaft, Arbeitslosigkeit

KIMI-Faktor: Mit Humor wird die Entwicklung eines Kindes beschrieben, das versucht, die eigene Obdachlosigkeit zu vertuschen, um sozial anerkannt zu bleiben.

Inhalt: Als Felix‘ Mutter arbeitslos wird und die Miete nicht mehr zahlen kann, ziehen Sohn und Mutter in einen alten VW-Bus. Damit beginnt ein Versteckspiel. Die Abwärtsspirale in die Obdachlosigkeit wird aus Felix‘ Sicht in der Rückschau so erschütternd wie glaubwürdig geschildert. Der ständige Hunger, die Suche nach Duschmöglichkeiten und die Verstrickung in Lügen zeigen, welche Herausforderungen dieses Leben täglich mit sich bringt. Am meisten plagt es Felix, dass er seinen besten Freund Dylan immer wieder anlügen muss, um seine Situation zu vertuschen. Doch als irgendwann das Lügengebäude einstürzt, erfährt Felix, dass er sich auf seine Freunde verlassen kann.

Jurystimme: „Nur Literatur vermag es, Humor als Heilmittel so einzusetzen, dass schwere Lebenssituationen lesbar werden.“

Lindsay Lackey: Das Mädchen, das den Sturm ruft

illustriert von: Annabelle Sperber, erschienen bei Dressler, ab 10 Jahren

Vielfaltsmerkmale: Pflegefamilie, Zusammenhalt, Freundschaft

KIMI-Faktor: Familie gehört zu den Schlüsselthemen kinder- und jugendliterarischer Texte. Doch Familie ist vielfältig – und genau diesem Aspekt geht das Kinderbuch Das Mädchen, das den Sturm rief, nach. Dabei rückt das Thema Pflegefamilie in den Fokus.

Inhalt: Cover und Titel mögen irritieren, wecken möglicherweise Assoziationen an phantastische Kinder- und Jugendliteratur. Aber: Der Roman Das Mädchen, das den Sturm rief ist ein realistisches Buch mit wenigen phantastischen Elementen und erzählt eindringlich über Familie. Das Mädchen Ruby, das von allen Red genannt wird, wird von einer Pflegefamilie zur nächsten gebracht. Ihre Mutter ist im Gefängnis, der Vater abwesend, und Red will einfach nur warten: Auf ihre Mutter und auf das Gefühl, wieder eine Familie zu sein. Als sie auf den Hof von Celine und Jackson gebracht wird, will sie sich nicht eingewöhnen. Sie glaubt auch nicht an einen längeren Aufenthalt und verschließt sich zunächst den Pflegeeltern und sogar den Tieren. Doch langsam öffnet sie sich, freundet sich mit einer Schildkröte an und auch mit dem Nachbarsjungen Marvin. Langsam bekommt das Mädchen das Gefühl, ein Zuhause zu finden und Menschen um sich zu haben, denen es vertrauen kann. Doch dann kommt die Mutter aus dem Gefängnis und zerstört das, was dem Mädchen wichtig ist.

Der Autorin ist ein berührender Roman gelungen, nah an der kindlichen Hauptfigur, erfasst er ihre Sorgen, Ängste und vor allem ihre Einsamkeit. Sie zeigt aber auch ihre Wut, das Versagen der Erwachsenen und schließlich, wie sich Red öffnet. Vertrauen muss man lernen, und ein Kind, das immer wieder enttäuscht wurde, braucht länger. Genau das erzählt der Roman.

Jurystimme: „Manchmal täuschen Cover, wecken Erwartungen oder leider auch Abneigungen. Doch man sollte den Büchern eine Chance geben. Das Mädchen, das den Sturm rief ist eines dieser Bücher. Beginnt man mit der Lektüre, wird eine wunderbare Geschichte erzählt, die zum Nachdenken anregt und ein Mädchen vorstellt, das neue Hoffnung schöpft.“

Jainal Amambing: Sansarinaga und der fliegende Büffel

erschienen bei Baobab Books, ab 5 Jahren

Vielfaltskriterien: Interkulturalität, Freundschaft, Indigene Kultur, Philosophieren mit Kindern

KIMI-Faktor: Das Buch eröffnet in ungewöhnlicher Erzählweise Einblicke in das Leben eines indigenen Volkes auf Borneo.

Inhalt: Sansarinaga hat niemanden zum Spielen und keinen Büffel. Die anderen Kinder im Dorf haben alle einen Büffel, auf dem sie reiten. So bleibt er traurig und allein zurück. Doch er lässt sich etwas einfallen und schnitzt mit viel Geschick einen Büffel aus Holz. Mit seinem Büffel zieht er die Aufmerksamkeit eines ganzen Dorfes auf sich. Sein prächtiger Holzbüffel beschert Sansarinaga die ersehnten Spielkameraden. Einfallsreichtum ist manchmal alles, was es braucht, um glücklich zu sein.

Jurystimme: „Wie gewinnt man Freunde? Muss man etwas leisten, auf sich aufmerksam machen, auffällig sein, um Freunde haben zu können? – Über diese Geschichte lässt sich viel diskutieren.“

Satomi Ichikawa: Kleines Pferdchen Mahabat

erschienen bei Moritz, ab 3 Jahren

Vielfaltskriterien: PoC, Natur, Kultur, Freundschaft, Familie

KIMI-Faktor: Erzählt wird aus dem Leben kirgisischer Nomad*innen.

Inhalt: Zum ersten Mal verbringt Djamilia die Ferien bei den Großeltern, die als Nomad*innen den Sommer über in einer Jurte in der kirgisischen Steppe leben. Als sich ein Fohlen der Herde am Bein verletzt, kümmert sich Djamilia liebevoll um das Tier. Täglich säubert sie seine Wunde mit dem Wasser aus dem Gletscherbach. Als Ausdruck ihrer Zuneigung gibt Djamilia dem Fohlen den Namen „Mahabat“, was auf Kirgisisch „Liebe“ bedeutet. Dank der fürsorglichen Pflege wird Mahabat wieder gesund und kehrt zu seiner Herde zurück. Im Zutrauen auf die Worte des Großvaters, dass sich Mahabat im nächsten Sommer wieder an Djamilia erinnern wird, reist Djamilia zurück zu ihren Eltern ins Dorf.

Jurystimme: „Ein zärtlich und sensibel erzählter Einblick in eine andere Welt.“

Stefanie Taschinski: Familie Flickenteppich. Wir ziehen ein

illustriert von Anne-Kathrin Behl, erschienen bei Oetinger, ab 10 Jahren

Vielfaltskriterien: Familie, Freundschaft, ein kulturelles Miteinander

KIMI-Faktor: Familie kann so vielfältig sein. Davon erzählt Stefanie Taschinski in ihrer Reihe Familie Flickenteppich und zeigt, wie man sich in einem Mehrfamilienhaus unterstützen kann.

Inhalt: Im Mittelpunkt stehen die Kinder Emma, Ben und Jojo, die gerade mit ihrem Vater in eine neue Wohnung gezogen sind. Die Mutter hat die Familie verlassen, sucht ihr Glück in Australien und der Vater versucht Beruf und Familienleben zu kombinieren. Das klappt malgut, mal weniger gut. Er ist Koch, seine Arbeitszeiten nicht familienfreundlich und so nimmt er auch dankbar die Hilfe der neuen Nachbar*innen an. Die Kinder leben sich schnell ein, gewinnen neue Freund*innen und erleben ein spannendes Abenteuer.

Taschinski entwirft unterschiedliche Varianten modernen Familienlebens, denn den allein erziehenden Elternteilen kommt auch ältere Nachbar*innen vor. Diese werden schnell zu Omas der Kinder und Familie nicht nur biologisch gelebt. Es ist ein buntes, kulturelles Leben, das Taschinski selbstverständlich und ohne einen pädagogischen Zeigefinger. Man kann ihn in der Tradition einer Astrid Lindgren und Kirsten Boie verorten.

Jurystimme: „Warmherzig und einfühlsam schildert Stefanie Taschinski modernes Familienleben.“

G. Neri: Tru und Nelle

erschienen bei Freies Geistesleben , ab 9 Jahren

Vielfaltskriterien: Freundschaft

KIMI-Faktor: Eine Geschichte Buch, das zeigt, wie Langeweile erfolgreich in Kreativität umgesetzt werden kann.

Inhalt: Truman und Nelle könnten nicht verschiedener sein. Er ist stets fein herausgeputzt in seinen schicken Sonntagsanzügen. Nelle hingegen hasst Kleider und läuft am liebsten in alten Latzhosen herum. Doch eine Sache haben die Beiden gemeinsam. Sie leiben Bücher. Vor allem Detektivgeschichten. Viele Stunden verbringen sie gemeinsam. Als in einem Drugstore eingebrochen und eine Scheibe der Schule eingeschlagen wird, ist klar: Sie übernehmen den Fall! Dieses Buch erzählt auf eine sehr einfühlsame und fantasievolle Weise die Kindheitsgeschichte der Autoren Truman Capote und Nelle Harper Lee.

Jurystimme: „Eine Freundschaft, die sich über das gemeinsame Interesse des Lesens entwickelt.“

Karen Foxlee: Alles, was wir träumten

erschienen bei Beltz & Gelberg, ab 11 Jahren

Vielfaltskriterien: Tumorerkrankung eines Geschwisters, Geschwisterbeziehung, Familienkonstellation, Freundschaft

KIMI-Faktor: Die Geschichte erzählt in der Rückschau und aus der Ich-Perspektive eines Geschwisters die Krebserkrankung des Bruders. Das Wissen darum, dass der Vater geht und der Bruder stirbt, setzt bereits während des Lesens einen besonderen Bewältigungsprozess in Gang.

Inhalt: Lenny Spink wächst zusammen mit ihrem kleinen Bruder Davey und ihrer Mutter in einer Stadt in Amerika auf. Schon bei der Geburt ahnt ihre Mutter, dass etwas mit Davey nicht stimmt. Ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist oder irgendwas dazwischen, das wird sich erst noch zeigen müssen. Was nicht stimmt, das zeigt sich, als Davey etwa fünf Jahre alt ist: Er wächst. Mehr als andere Kinder. Auch weil Davey nun ständig neue Kleidung braucht, muss die Mutter viel arbeiten. Lennys Vater ist immer wieder verschwunden, bis er dann nicht mehr wiederkommt. Vor allem Lenny vermisst ihn. Dafür stehen sie und Davey fest zusammen. Irgendwann wird klar, was die Ursache des Wachsens ist: ein Tumor. Auf Davey warten Operationen, und Lenny muss Rücksicht nehmen. In der Schule schämt Lenny sich oft für ihren großen, ungelenken Bruder, der aber wegen seines Wesens allseits beliebt ist. Und dann fängt der Tumor nach einer Zeit der Ruhe wieder an zu wachsen …

Jurystimme: „Solche Schicksale sind ätzend. Traurig. Aber sie gehören zum Leben dazu.“

Chris Naylor-Ballesteros: Der Koffer

erschienen bei Fischer Sauerländer, ab 4 Jahren

Vielfaltskriterien: Freundschaft, Misstrauen, Fremdheit, Vertrauen, Toleranz, Vergebung

KIMI-Faktor: Minimalistisch gestaltet, aber sehr ausdrucksvoll, wird erzählt, wie sich geistige Haltungen wandeln kann und Ablehnung zu Unterstützung wird.

Inhalt: Hase, Fuchs und Vogel begegnen einem fremden Wesen, das einen schweren Koffer mit sich herumschleppt. Sie sind neugierig, was darin ist, und glauben ihm nicht, dass der Koffer seine Lieblingstasse und sein Zuhause enthält. Als der Fremdling vor Erschöpfung einschläft, brechen die Drei den Koffer auf und finden eine zerbrochene Tasse und ein Foto von einer Hütte – ein verlorenes Zuhause also. Es packt sie das schlechte Gewissen, und so kleben sie die Tasse wieder zusammen und bauen eine neue Hütte zusammen, sehr fleißig. Als der Fremde dann wieder aufwacht, findet er ein neues Zuhause vor und drei betroffene Tiere, die sich entschuldigen. Er findet nun, dass noch 3 Tassen fehlen, damit es ihrer aller Zuhause werden kann.

Jurystimme: „Eine wunderbare Utopie. Schon für Dreijährige eine gute Anschauung für Toleranz und Hilfsbereitschaft.“

Adriana Popescu: Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln

erschienen bei cbt, ab 14 Jahren

Vielfaltskriterien: Trauma, Mobbing, Gewalt, Freundschaft

KIMI-Faktor: Subtil und mit starken Bildern führt die Autorin ihre Leser*innen an das Thema heran und zeigt Hintergründe auf.

Inhalt: Samuel lässt seine Vergangenheit hinter sich und startet einen Neuanfang. Marie fühlt sich zu ihm hingezogen und findet endlich Zeit für andere Sachen in ihrem Leben und Theo wird gemobbt und versucht, seine Ängste zu überwinden. Alles läuft gut, doch was Marie und ihr Bruder nicht wissen: Samuel hat ein Geheimnis, das alles, was sie sich zusammen aufgebaut haben, zerstören kann. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bombe hochgeht. Alle drei Protagonist*innen haben eine starke Verbindung zum Thema Gewalt. Autorin Adriana Popescu hat ihre Charaktere geschickt ausgewählt. Zum einen ist da Samuel, der mit der Gewalt im weiteren Sinne als Täter konfrontiert ist, zum anderen Theo, der ein klares Opfer von Gewalt wurde und dadurch in die Rolle des Mobbing-Opfers hineinschliddert. Und schließlich ist da Marie, die als Außenstehende ebenfalls eine Art Opfer ist, da sie ihr eigenes Leben dem Schutz ihres Bruders unterordnet, darunter aber zunehmend leidet, ohne einen Ausweg zu sehen.

Jurystimme: „Die Kraft von Freundschaft und Familie lässt einen alles überstehen.“ „Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln“ ist mega, mega spannend, ich habe die ganze Zeit mitgefiebert und konnte es nicht aus der Hand legen, sehr, sehr bewe-gend.“