Claudia Gliemann: Rotkäppchen, wie geht es dir?

illustriert von Regina Lukk-Toompere, erschienen bei Monterosa, ab 6 Jahren

Vielfaltskriterien: Trauma, Mut, Psychotherapie

KIMI-Faktor: Dieses Buch ist für den Einsatz von Fachkräften (Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen oder Erzieher*innen in der Jugendhilfe) im Umgang mit seelisch verletzten Kindern geschrieben.

Inhalt: Das Buch schildet unter Zuhilfenahme von vertrauen Märchenfiguren schwere seelische Verletzungen und eine gelingende Stabilisierung und Heilung. Mit einfühlsamen, facettenreichen Bildern und in verständlicher Sprache erzählt es Rotkäppchens Weg, sich mit Hilfe des fürsorglichen Bären seiner Traumatisierung zu stellen. In der ersten Geschichte erwacht der Bär unter einer Schneedecke aus seinem Winterschlaf. Vor ihm liegt Rotkäppchen im Schnee und erzählt ihm schluchzend, dass der Fuchs – der doch eigentlich ihr Freund war – ihr nach und nach die Haare abgeschnitten hat. Rotkäppchen ist so verletzt, dass sie im kalten Schnee liegen bleibt. Der Bär zimmert eine Hütte um Rotkäppchen herum und wartet geduldig ab, bis Rotkäppchen von sich aus durch einen Spalt nach draußen schaut. Ganz langsam fasst Rotkäppchen Vertrauen und beginnt zu erzählen. Auch der Bär erzählt Geschichten. Schließlich traut sich Rotkäppchen, die Gegend zu erkunden und stößt auf das Haus ihrer Großmutter. Sie braucht viel Zeit, sich nach und nach ihren Erinnerungen, die in einem Korb aufbewahrt sind, zu stellen. Der Bär begleitet sie, ohne zu bedrängen. Im Verlauf des Buches tauchen weitere Märchenfiguren auf, um von ihren Ängsten und Schmerzen zu erzählen. Auf der letzten Seite wird erläutert, wie Kinder nach und nach lernen können zu vertrauen, auch wenn der Weg aus dem Trauma schwierig und schmerzlich sein kann. Das Buch endet mit der Nummer gegen Kummer 116 111.

Jurystimme: „Ein Buch, welches zeigt, dass Traumatisierungen in einer sicheren Umgebung bewältigt werden können.“

Adriana Popescu: Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln

erschienen bei cbt, ab 14 Jahren

Vielfaltskriterien: Trauma, Mobbing, Gewalt, Freundschaft

KIMI-Faktor: Subtil und mit starken Bildern führt die Autorin ihre Leser*innen an das Thema heran und zeigt Hintergründe auf.

Inhalt: Samuel lässt seine Vergangenheit hinter sich und startet einen Neuanfang. Marie fühlt sich zu ihm hingezogen und findet endlich Zeit für andere Sachen in ihrem Leben und Theo wird gemobbt und versucht, seine Ängste zu überwinden. Alles läuft gut, doch was Marie und ihr Bruder nicht wissen: Samuel hat ein Geheimnis, das alles, was sie sich zusammen aufgebaut haben, zerstören kann. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bombe hochgeht. Alle drei Protagonist*innen haben eine starke Verbindung zum Thema Gewalt. Autorin Adriana Popescu hat ihre Charaktere geschickt ausgewählt. Zum einen ist da Samuel, der mit der Gewalt im weiteren Sinne als Täter konfrontiert ist, zum anderen Theo, der ein klares Opfer von Gewalt wurde und dadurch in die Rolle des Mobbing-Opfers hineinschliddert. Und schließlich ist da Marie, die als Außenstehende ebenfalls eine Art Opfer ist, da sie ihr eigenes Leben dem Schutz ihres Bruders unterordnet, darunter aber zunehmend leidet, ohne einen Ausweg zu sehen.

Jurystimme: „Die Kraft von Freundschaft und Familie lässt einen alles überstehen.“ „Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln“ ist mega, mega spannend, ich habe die ganze Zeit mitgefiebert und konnte es nicht aus der Hand legen, sehr, sehr bewe-gend.“

Annette Mierswa: Not your girl

erschienen bei: Loewe, ab 12 Jahren

Vielfaltsmerkmale:

Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Trauma, psychische Erkrankungen

KIMI-Faktor:

Ein gesellschaftskritischer Jugendroman, in dem es um zeitgemäße und erschreckend reale Tabu-Themen wie sexueller Missbrauch, das Modelbusiness, Alkohol, Drogen, Zwangsstörungen und die MeToo-Bewegung geht.

Inhalt: Tinkas größter Wunsch ist es, zu modeln, wie die Freundin ihres großen Bruders Theo. Donna ist ihr großes Vorbild und einfach perfekt. Doch nachdem Tinka auf einer Party vergewaltig wird, geht ihr ganzes Leben den Bach runter. Die 15-jährige zerstreitet sich mit ihrer besten Freundin Vivi und wird von den Leuten aus ihrer Klasse gemobbt. Die Folge: ein Wechsel auf eine neue Schule. Neuer Name, neuer Freundeskreis – new life? Tinka setzt alles daran, sich ein scheinbar perfektes Leben zu erschaffen. Unter ihrem neuen Namen (sie nennt sich jetzt Kim) gibt sie sich als Model aus und wird zur Fashionikone ihrer neuen Klasse. Ersteres wird zeitweise sogar zur Realität, als sie in einem Kaufhaus „entdeckt“ und zu einem Casting eingeladen wird. Tinka ahnt noch nicht, in welche Abgründe sie deswegen noch stürzen wird. Niemand darf sehen, wie sie immer weiter abstürzt und innerlich zerbricht.

Jurystimme: ‚‚Tinka war mir am Anfang sehr sympathisch, ich habe ihren Absturz mit Entsetzen verfolgt. Die Ereignisse häufen sich und sie wird immer weiter in den Abgrund gezogen. Echt krass wie schnell so etwas gehen kann.’’

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Tania Witte: Die Stille zwischen den Sekunden

erschienen in dtv, ab 12 Jahren

Vielfaltsmerkmale:

Menschen mit Fluchterfahrungen, People of Color, inter- bzw. transkulturelle /interreligiösen Lebenswirklichkeiten, Wertevielfalt, Sprachvielfalt und Sprachpraxen, Kulturen und Herkunft erfahrbar machen, Erfahrungen mit Trauma, Krankheit, Tod, Verlust, Identität

KIMI-Faktor:

Dieses Buch macht Kontraste deutlich: Leben und Tod, Planen und Zufall, Leid und Glück. Die Themen sind vielfältig, aber aus authentischen Perspektiven erzählt. Am Ende stehen die Fragen: Wer bin ich? Und Was will ich vom Leben?

Inhalt: Mara ist „das Mädchen, das überlebt hat“, denn nur knapp ist sie einem Bombenattentat in der Hannoveraner U-Bahn entkommen. Seitdem ist für sie nichts mehr, wie es war. Die Eltern ihrer besten Freundin Sirîn lassen diese nicht mehr aus dem Haus und Sirîn meldet sich auch immer seltener. Mara sorgt sich um ihre beste Freundin und versucht, gemeinsam mit ihrem heimlichen Schwarm Chriso, herauszufinden, was bei Sirîn zu Hause los ist. Und am Ende ist dann nichts so, wie es scheint.

Jurystimme:

‚‚Die Stille zwischen den Sekunden’ ist ein packender Jugendroman, der von der ersten bis zur letzten Seite spannend ist. Jugendliche sollten mit diesem Roman jedoch keinesfalls alleine gelassen werden, da insbesondere das Ende psychisch sehr belastend und für die Protagonistin traumatisch ist. Dennoch ist das Buch sehr empfehlenswert, da es einen mitreißenden Schreibstil und liebevoll ausgearbeitete, vielfältige Charaktere mit interessanten Hintergründen hat. Beispielsweise wird einiges über die kurdische Kultur von Sirîns Familie erfahrbar gemacht, die vor Jahren aus ihrer Heimat geflohen sind. Auch soziale Medien werden indirekt kritisch unter die Lupe genommen, da Maras Schwarm Chriso auf dem Schulhof aufgenommene Videos im Netz hoch lädt und diese kommentiert.’’

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Anne Fleming: Ziegen bringen Glück

illustriert von: Philip Waechter, erschienen bei: Carlsen, ab 10 Jahren

Vielfaltskriterien:

Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen, Erfahrungen mit Traumata und ihre Überwindung

KIMI-Faktor:

Mit viel Feingefühl und Witz erzählt die Autorin eine Geschichte über das Leben in der großen Stadt, über das Überwinden von Ängsten, über das Miteinander. Sie wechselt dabei immer wieder die Perspektive, aus der erzählt wird, und lässt so verschiedene Wirklichkeiten und Sichten spürbar werden.

Inhalt: Die 11-jährige Kid ist eher introvertiert und fühlt sich in der großen Stadt erst ziemlich unwohl. Sie und ihre Mutter wohnen für ein paar Wochen in New York City, weil die Mutter in einer Theateraufführung mitspielt. Als Kid allerdings ein Gerücht hört, dass eine Bergziege auf ihrem Wohnhaus leben soll, wird sie neugierig. Sie macht sich mit ihrem Freund Will auf die Suche nach dem Tier und begegnet dabei so einigen eigenwilligen und verschrobenen, aber immer sympathischen Personen.

Jurystimme: ‚‚Ein tolles Lesevergnügen. Nicht nur für Kinder und Jugendliche. Das Buch ist voll mit philosophischen Ideen und versteckten Andeutungen und deshalb meiner Meinung nach eher für Kinder mit einem fortgeschritteneren Leseniveau geeignet.‘‘

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Kristina Aamand: Wenn Worte meine Waffe wären

Posted on 9. Mai 2019 by Suse Eich Bauer

übersetzt von Ulrike Brauns, 288 Seiten, Dressler, 16 Euro, ab 12

als eBook erhältlich

ISBN-10: 3791500988 ISBN-13: 978-3791500980

Vielfaltsmerkmale: Wertevielfalt, Toleranz, Religionen, Glauben, Geschlechterrollen, Homosexualität

Kimi-Faktor: Dieses Buch erzählt sanft, poetisch und eindrücklich, dass es immer mehrere richtige und oft doch sehr unterschiedliche Denkweisen über ein und dieselbe Sache gibt. So lässt sich letztlich nicht bestimmen, welche Sichtweisen richtig oder falsch sind. Es geht deshalb alleinig darum, auszuhandeln, auf welche Weise wir in Gesellschaften zusammenleben können.

Sheherazade, deine Worte verändern die Welt! Sie ist 17, lebt in Dänemark, ein Mädchen und die einzige Muslima an ihrer Schule. Sie hat es schwer und ihre Mutter feste Pläne für die Zukunft ihrer Tochter. Zudem wird die Mutter von Tag zu Tag religiöser. Ihr Vater leidet an den Erinnerungen an die Schrecken des Krieges und der Flucht. Schließlich muss er ins Krankenhaus. Das einzige, was Sheherazade hilft zu leben, sind ihre eigenen Worte, ihre Texte, die sie kunstvoll-provokativ mit Bildern verwebt. Und dann ist da zum Glück auch noch Thea. Als zunehmend Vertraute zeigt sie Sheherazade neue Blickwinkel auf das Leben. Und plötzlich hat sie keine Lust mehr zu schweigen, sondern möchte endlich für ihren Willen und ihre Freiheit einstehen. Sprachlich brillant erzählt und angereichert mit collagehaften Bildern einer mutigen Protagonistin.

Das sagt die Jugendlichen-Jury:

Kein leichter Einstieg für so manche Leser*in in der Jury, da der Beginn der Geschichte als recht zäh und langweilig erlebt wurde. Dann aber nimmt sie deutlich Fahrt auf und löste starke Gefühle aus: viel Mitgefühl für Sheherezades schwierige Familiensituation, aber auch Wut über die Ungerechtigkeiten, die sie erlebt. Eine empowernde Geschichte, die eventuell Mädchen in ähnlichen Situationen Mut macht, freier zu sein. Besonders das zine-artige Layout bzw. die tagebuchartigen Illustrationen kamen gut an.

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