Jutta Langreuter & Jeremy Langreuter: Oskar

illustriert von: Leonard Erlbruch, erschienen bei: Peter Hammer Verlag

Vielfaltskriterien:

Identifikationsmöglichkeiten für diverse Familienkonstellationen, unkonventionelle Erziehung

KIMI-Faktor:

Vieles lernt man erst zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist. Dies verdeutlicht das Buch mit witzigen sowie charmanten Bildern und Worten. Es zeigt, was wirklich wichtig ist.

Inhalt:

Oskar – so heißt der Bruder des Vaters, der in das Haus einziehen möchte, in dem bereits die ganze Familie wohnt. Doch wie ist Oskar so? Er hat keine Lust im Haushalt zu helfen, möchte sich aber um jedes Familienmitglied kümmern. Beim Spiel mit den Kindern wird er zum Piraten, singt mit Opa Lieder und verhilft der Uroma zum heimlichen Genuss von Süßigkeiten. Er kocht köstlich und kleckert dabei alles voll, so auch das Kleid von Mamas Chefin. Er wirbelt alles durcheinander und muss letztlich die Familie verlassen. Doch dann merkt die Familie, wie glücklich sie mit Oskar war und setzt alles in Bewegung, um ihn zurückzuholen. Oskar ist eine Bilderbuchgeschichte über einen Sonderling und Glücksbringer.

Jurystimme:

„Oskar ist ein lustiges Buch, das nachdenklich stimmt, da man anfängt seine eigenen Methoden und die Rollen in der Familie zu reflektieren. Manchmal kommt man mit unkonventionellen, einfachen Lösungen schneller ans Ziel, anstatt alles durchzuplanen und vor Stress das Offensichtliche zu übersehen.“

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Rocio Bonilla: Geschwister!

illustriert von: Rocio Bonilla, Verlag: Jumbo, ab 3 Jahren

Vielfaltsmerkmal:

Gefühle, Geschwisterkonstellation, Familie

Der KIMI-Faktor:

Das Buch thematisiert das Leben von Geschwisterkindern, indem die verschiedenen Sichtweisen und Meinungen dargestellt werden.

Inhalt:

Es ist die Geschichte von zwei Geschwistern, welche sich viel streiten. Der kleine Bruder, der „Affe“, macht immer alles kaputt und ist eine Heulsuse. Dafür erzählt er die schönsten Geschichten. Die große Schwester, das „Nashorn“, muss immer alles bestimmen und ist langweilig, kann aber dafür die höchsten Türme bauen. Geschwister streiten sich zwar oft, merken aber am Ende des Tages, dass es schön ist, einen Bruder oder eine Schwester zu haben.

Das sagt die Erwachsenen-Jury:

„Das Wendebuch, welches von der einen Seite betrachtet die Geschichte der Schwester und von der anderen Seite die Geschichte des Bruders erzählt, ist durch die Illustrationen spannend gestaltet. Schön ist, dass nach den Aufzählungen, warum das andere Geschwisterkind anstrengend ist, doch die Erkenntnis kommt, dass sie sich gegenseitig unterstützen und zusammenhalten.“

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Isabel Acker:Die lange Reise im Fahrstuhl

illustriert von: Eva Künzel, erschienen bei: Alibri, ab 4 Jahre

Vielfaltskriterien:

Toleranz, People of Color, Inklusion, gleichgeschlechtliche Paare, kulturelle Identität

Kimifaktor: Auf besondere Weise sind die individuellen Geschichten, Herkünfte, biografischen Narrative auf Tapeten gemalt für Räume, in denen Menschen sich aufhalten.

Inhalt:

Eine lange Reise im Fahrstuhl vom 20. Stock bis ins Erdgeschoß mit Familie Sahin, die immer wieder neue Nachbarn aus aller Herren Länder trifft. Es sind Nachbarn aus Kamerun, der Türkei, aus China, Bulgarien. Sie streiten, tanzen, lachen, küssen – das machen alle, jeder wie er will.

Die rechte Bildseite zeigt gerahmt den Fahrstuhl, auf der linken Seite gibt es Texte und kleine Extraillustrationen. Dabei ist der Fahrstuhl eine Metapher für menschliches Zusammenleben, mit allen Facetten und in aller Vielfalt. Es geht um ein Miteinander, um Toleranz, Mentalitäten, Hautfarben, Inklusion, gleichgeschlechtliche Paare. Im Erdgeschoss steigen alle aus und gehen ihrem Tagwerk entgegen: in den Kindergarten, zur Uni, Freunde besuchen oder arbeiten.

Jurystimme:

„So funktioniert multikultureller Alltag – unaufgeregt, heiter, selbstverständlich!“

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Mareike Krügel: Zelten mit Meerschwein

illustriert von Nele Palmtag, 158 Seiten, Beltz & Gelberg, 11,99 Euro, ab 8 Jahren
Auch als eBook erhältlich.

ISBN-10: 3407823525 ISBN-13: 978-3407823526

Vielfaltmerkmale:
Familienkonzept, Armut, Mobbing, Geschlechterrollen

Der KIMI-Faktor:
Das Buch beschäftigt sich u.a. mit dem in der Kinderliteratur oft vernachlässigten Thema Armut und zeigt den jungen Leser*innen konstruktiv, wie man mit Armutssituationen umgehen kann. Dabei bleibt es authentisch und realistisch: Es gibt keine „Erlösung“ aus, sondern einen guten Umgang mit der Situation. Außerdem zeigt es, dass auch Jungs-Charaktere, die nicht den üblichen Klischee-Merkmalen „stark, durchsetzungsfähig, laut“ entsprechen, tolle Kinderbuchhauptcharaktere sein können, mit denen man sich gerne identifiziert.
Das Thema Trennung der Eltern wird realitätsnah und nicht probematiserend behandelt.

Inhalt:
Endlich Ferien. Sechs lange Wochen. Anton ist 9 Jahre alt und vieles läuft gerade überhaupt nicht gut: Die Eltern haben sich getrennt, in der Schule wird er von Ben und dessen Clique gemobbt. Außerdem sei der „Welpenschutz“ jetzt vorbei, sagt seine Lehrerin und das Zeugnis hat er sich gar nicht erst angeschaut.
Anton möchte jetzt einfach nur Ruhe. Zum Glück gibt es Meerschweinchen Pünktchen, das Anton tröstet. Leider laufen auch die Ferien nicht wie geplant.

Der Vater sagt den Papa-Sohn-Urlaub ab, weil er arbeiten muss. Mama hat gerade ihre Arbeit verloren und deswegen kein Geld, um zu verreisen – und das Auto ist auch kaputt.
Aber Antons Mutter findet eine Lösung für das Ferien-Dilemma: Zu Fuß sind sie zusammen mit Meerschwein unterwegs zum nächsten Campingplatz. Als der ausgebucht ist, zelten sie kurzerhand (unerlaubt) wild im Wald, was immer wieder zu aufregenden Situationen führt. Anton lernt im Wald ein Mädchen kennen, das auch einiges an innerem Ballast mit sich herum trägt.
Obwohl die beiden sehr unterschiedlich sind, werden sie Freunde – und schließlich rettet Anton dem Mädchen sogar das Leben. Und dann ist plötzlich das Meerschweinchen verschwunden und Antons Mutter kommt vom Einkaufen nicht mehr zurück… Eine ungewöhnliche und actionreiche Sommergeschichte, die Kindern Mut macht.
Anton wird in diesen Ferien, die so unschön begannen, selbstbewusster und stärker – ohne sich dabei zum Superhelden zu entwickeln. Anton bleibt Anton, aber fängt an, sein Potential auszuschöpfen.

Am Schluss des Buches wird die Geschichte vom Meerschweinchen Pünktchen, das Prinzessin werden möchte, als Extra abgedruckt. Es ist Antons Einschlafmärchen, das von seiner Mutter jeden Abend im Zelt weitererzählt wird.

Das sagt die Kinder-Jury:
Einige Kinder hatten zunächst Schwierigkeiten in die Geschichte hineinzukommen. Sobald dies jedoch überwunden war, wurde das Buch gerne gelesen. Ein besonderes Highlight war das kleine Lese-Extra: ein Meerschweinchen-Märchen am Buchende! 
Die Kinderjury fand es etwas Besonderes, dass ein ängstlicher, ruhiger Junge sich mit einem mutigen und sogar älteren Mädchen anfreundet. Antons familiäre Situation und auch die Mobbing-Thematik wurden von den Kindern zudem als sehr realitätsnah wahrgenommen. 

Große Diskussionen löste jedoch das Wort „Indianer“ aus: Darf ein Buch, welches dieses diskriminierende Wort enthält, das KIMI-Siegel verliehen bekommen? Hier war sich die Jury nicht einig. Letztendlich überwogen jedoch die vielen positiven Merkmale, die der einmaligen Nennung des Wortes gegenüberstehen. 

Das sagt die Erwachsenen-Jury:
“Zelten mit Meerschwein” zeigt, dass es möglich ist, unterhaltsame Bücher zu schreiben, mit einem Protagonisten, der auf den ersten Blick nicht die Kriterien für “supercool” erfüllt. Antons Ängste und Sorgen werden einfühlsam und nachvollziehbar geschildert und die Leser*innen sind nah dran an seinen schließlich doch auch spannenden Ferienabenteuern.
Kinder, die sich wie Anton viele Gedanken machen und nicht zu den Lauten zählen, können sich wahrscheinlich gut mit dem Hauptcharakter identifizieren.
Es bleibt zu hoffen, dass der Verlag sich an aktuellen diskriminierungssensiblen Diskursen orientiert und für eine nächste Auflage die diskriminierende Bezeichnung für “Native Americans” ersetzt. 

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Martin Muser: Kannawoniwasein! Manchmal muss man einfach verduften

176 Seiten, Carlsen, 12 Euro, ab 10 Jahren

ISBN-10: 3551553750 ISBN-13: 978-3551553751

Auch als E-Book (Carlsen) und Hörbuch (Hörbuch Hamburg) erhältlich.

Vielfaltmerkmale:
Geschlechterrollen, Familienkonzept, gegen Adultismus

Der KIMI-Faktor:
Die Geschichte ist ein klares Signal gegen Adultismus: Erwachsene üben Entscheidungsmacht aus gegenüber Kindern – und liegen damit jedes Mal falsch. Die beiden kindlichen Hauptcharaktere beschließen, sich gegen die Vorschriften und Pläne des Schaffners, der Polizei, der Fast-Food-Verkäuferin usw. zu verhalten – und treffen in den meisten Fällen gut überlegte eigene Entscheidungen. Natürlich ist das Buch eine fantasievolle Geschichte und keine Tatsachenbeschreibung und manche Situation wäre im wahren Leben möglicherweise weniger glimpflich verlaufen: Dabei bleibt es trotzdem ein Mut-Mach-Buch für Kinder, Verbote und Gebote von Erwachsenen zu hinterfragen.
Geschlechterklischees werden ganz selbstverständlich über den Haufen geworfen: Jola ist die mutige Draufgängerin, Finn eher sensibel und zurückhaltend.
Auch verschiedene Familienkonzepte werden sehr authentisch beschrieben, Finns Eltern sind getrennt, Jolas Eltern sind verheiratet und wenden bei ihrer Tochter einen strengen Erziehungsstil an, was Jola immer wieder erzählt, negativ sieht und in Frage stellt.
Menschen mit Migrationshintergrund dürfen in einer Geschichte in und um Berlin nicht fehlen: So stammt Jolas Familie ursprünglich aus Polen und der Freund von Finns Mama heisst Mukhtar – und lässt einen möglichen Migrationshintergrund erahnen, ohne dass dies zum Thema gemacht wird.

Inhalt:
Der neunjährige Finn pendelt zwischen den Wohnorten seiner getrennt lebenden Eltern – zwischen Berlin und einem brandenburgischen Dorf. Zum ersten Mal soll er die Strecke allein mit dem Zug fahren. Ein bisschen mulmig ist Finn schon, aber eigentlich freut er sich, dass Papa ihm zutraut, die Bahnfahrt alleine zu schaffen. Und was soll auch schon passieren: Papa setzt ihn in den Zug und Mama wird ihn Berlin Hauptbahnhof am Bahnsteig abholen.
Aber dann geht eben alles doch gehörig schief: Auf der Fahrt

wird er von dem sonderbaren Mitreisenden „Hackmack“ in ein Gespräch verwickelt, der Finn schließlich seinen Rücksack klaut: Mit allem, was Finn benötigt – der Fahrkarte, dem Handy, Papas Spezialstullen gegen plötzlichen Hunger und noch mehr.
Als der verzweifelte Finn vom Schaffner kontrolliert wird, wirft dieser Finn aus dem Zug und übergibt ihn der Polizei. Als das Polizeiauto in einen Unfall verwickelt wird, lernt Finn die zehnjährige Jola kennen, die ihm den Rat gibt, es sei besser zu „verduften“.
Und jetzt nimmt die Geschichte so richtig Fahrt auf und wird zur abenteuerlichen Roadnovel: Finn und Jola hauen ab und machen sich gemeinsam auf den Weg in die „Tzitti“.
Sie verstecken sich in einem Müllcontainer, fahren Traktor, bis der Diesel ausgeht, schlafen im Wald, treffen auf einen Wolf und Motorrad-Rocker – und schließlich bekommen sie sogar Finns Rucksack zurück und es gibt ein tolles Happy End in Berlin.
Rasant, komisch, aber durchaus tiefgründig. Es stellt sich heraus, dass wahr ist, was viele Kinder schon immer vermuten: Es sind schon hauptsächlich die Erwachsenen, die die Probleme bereiten und falsche Entscheidungen treffen.
Jola und Finn sind keineswegs überzogenene Held*infiguren, sondern einfach zwei Kinder, die den Mut haben oder sich nehmen, den Aufgaben und Problemen, die sich ihnen stellen, den Kampf anzusagen. Dabei ist Jola durchaus die mutigere von den beiden und Finn eher zurückhaltend und nachdenklich.
Ein Roman, der die Leser*innen in die Freiheit mitnimmt.

Das sagt die Kinder-Jury:
Mit was für großer Begeisterung wurde dieses Buch gelesen! Noch beim Nacherzählen und Austauschen wurde viel gelacht. Die Kinder fanden die Geschichte von Jola und Finn spannend und vor allem lustig erzählt. Sie konnten sich sowohl in die selbstbewusste und abenteuerlustige Jola, als auch in den etwas schüchternen Finn gut hineinversetzen. Dass dies so gar nicht den gängigen Geschlechterrollen und Klischees entspricht, nahmen die Kinder ganz selbstverständlich an. Martin Musers erzählerische Beiläufigkeit machte es den Kindern leicht, dies wie auch andere Vielfaltsaspekte als die normalste Sache der Welt bzw. einfach die alltäglichen Lebensumstände anderer Kinder anzusehen. 

Das sagt die Erwachsenen-Jury:
Mit viel Situationskomik wird der abenteuerliche Roadtrip zweier Kinder erzählt. Von den Erwachsenen anfangs im Stich gelassen, setzen sie sich couragiert über Verbotenes hinweg und meistern so knifflige Situationen. Unterwegs treffen sie immer wieder für sie auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Menschen, die ihnen selbstverständlich zur Seite stehen. Ein Kinderbuch voll Witz, das zeigt, dass sich ein gewisses Maß an Chuzpe bewährt und dass ein kreativer Umgang mit Regeln durchaus sinnvoll sein kann. Ganz selbstverständlich wird hier mit Geschlechterklischees gespielt, wenn Jola den Ton angibt und Finn sich noch überwinden muss, den Mut für manche schwierige Situation zu entwickeln.

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Sayantani DasGupta: Das Geheimnis des Schlangenkönigs

übersetzt von Gabriele Haefs, 320 Seiten, Carlsen, 15 Euro, ab 11

ISBN-10: 3551553769 ISBN-13: 978-3551553768

Als E-Book (Carlsen) und Hörbuch (Silberfisch) erhältlich

Vielseitigkeitsmerkmal: Familien mit Adoptiv- oder Pflegekindern, Menschen mit Fluchterfahrungen

Kimi-Faktor: Das Buch zeigt eine Abenteuerreise, eine geflohene Prinzessin kehrt in ihr Reich zurück und sagt  ihrem leiblichen Vater die Meinung.
Der Hauptcharakter Kiranmala tritt die Reise an um ihre Adoptiveltern zu suchen. Es wird auf das Thema Adoption, Bedeutung Adoptiveltern in der Kindheit eingegangen.

Kiranmala lebt in New Jersey, wo ihre Eltern einen kleinen Laden für indische Lebensmittel betreiben. An ihrem 12. Geburtstag sind ihre Eltern urplötzlich verschwunden, stattdessen stehen zwei seltsame Jungen vor der Tür, die sich als Prinzen aus einer magischen Welt vorstellen und das Mädchen dorthin abholen wollen. Damit nicht genug, ein Rakhoshi taucht auf, ein riesiger Dämon aus ebendieser Fantasiewelt, der sich wütend sabbernd auf die Jagd nach den drei Kindern macht. Auf fliegenden Pferden beginnt nun eine gefährliche Reise, auf der Kiranmala große Abenteuer besteht, neue Freund*innen findet und Fantastisches über ihre Herkunft und Familie erfährt – denn auch sie ist nicht weniger als eine Prinzessin. Die rasante und überaus humorvolle Geschichte verbindet gekonnt einen zeitgenössischen Erzählton mit indischen und westbengalischen Mythen. An den ersten Band der Abenteuer um Kiranmala und ihre magische Familie schließen sich ein Glossar sowie Erklärungen zum mythologischen Ursprung der Geschichte an. 

Das sagt die Kinder-Jury:

Dank des farbenfrohen und auffälligen Covers haben alle Kinder der Jury extrem neugierig auf diesen Titel reagiert, verspricht er doch schon von Außen abenteuerlichen Lesespaß. Begeistert waren die Kinder auch nach der Lektüre, die spannend und mit viel Wortwitz erzählte Geschichte der mutigen Prinzessin Kiranmala hatte alle in ihren Bann gezogen. Besonders die detailliert beschriebenen Figuren aus der Welt der indischen und westbengalischen Märchen, von denen sich die Autorin inspirieren ließ und die, für die Kinder komplett neu waren, sind sehr gut angekommen.

Das sagt die Erwachsenen-Jury:

Ein Fantasy-Abenteuer mit einer weiblichen Hauptperson und Gestalten aus der indisch-bengalischen Mythologie, mit viel Humor erzählt! Ein spannendes Abenteuer jagt das nächste – mancher oder manchem Leser*in mag das manchmal schon fast zu schnell gehen.   

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David Arnold: Herzdenker

übersetzt von Ulrich Thiele, 376 Seiten, Arena Verlag, 17 Euro, ab 12

ISBN-10: 9783401603711 ISBN-13: 978-3401603711

als eBook erhältlich

Vielfaltsmerkmale: Armut, Ausgrenzung, Behinderung, Familienformen, Gender, Klassismus, Rassismus

Kimi-Faktor: In diesem bewegenden Jugendroman geht es um viel mehr – um Liebe und Trauer, um Zugehörigkeit, Ausgrenzung, gewaltvolle Lebensverhältnisse, Solidarität und Respekt.

Herzdenker erzählt die Geschichte der Helden des Hungers, einer Clique, bei der die beiden Hauptpersonen Vic, ein Junge mit dem Möbius-Syndrom und Mad, die als Waise mit ihrer dementen Großmutter beim gewalttätigen Onkel lebt, im Mittelpunkt stehen. Aus ihren Perspektiven berichten sie abwechselnd und in Rückblenden vom Kennenlernen, vom Zusammenhalt und von der gegenseitigen Unterstützung, die sie in der Gruppe erfahren. In dieser Wahlfamilie, die von Baz, einer Art jugendlicher Vaterfigur, zusammengehalten wird, fühlen sie sich aufgehoben und uneingeschränkt respektiert, was besonders für Vic eine wunderbare Erst-Erfahrung ist. Anrührend und vor allem spannend wird so erzählt, wie sich die Helden des Hungers um Vic und die Urne seines Vaters versammeln, dessen letzte Wünsche erfüllt werden wollen.

Das sagt die Jugendlichen-Jury:

Auch wenn Covergestaltung und Klappentext auf den ersten Blick nur wenig Anklang fanden – und wieder einmal die Frage, warum orientiert man sich nicht mehr am Original -, wurde die Geschichte von Vic, Mad und den Helden des Hungers für einige Jurymitglieder doch noch zu einem echten Lieblingsbuch. Die Sprache des mehrstimmig erzählten Jugendromans ist – wenn auch manchmal etwas klischeehaft in ihren Darstellungen – abwechslungsreich, dabei schön, witzig, philosophisch und respektvoll. Alle Protagonist*innen sind auf ihre verschiedenartige Weise gleichwertig, was den liebevollen Zusammenhalt der Wahlfamilie widerspiegelt. Ihre verschiedenen Sichtweisen sind gut beschrieben, die Erzählwechsel aber durchaus komplex und manchmal auch ein wenig verwirrend. Zum Ende wird es immer spannender mit unerwartetem Schluss!

Das sagt die Erwachsenen-Jury:

Eine Clique Jugendlicher steht im Zentrum dieses außergewöhnlichen Buches. In ihrer Gemeinschaft finden die Jugendlichen, die alle auf die eine oder andere Art Außenseiter*innen sind, Solidarität und Mitgefühl. Nur auf den ersten Blick handelt es sich um einen spannend geschriebenen Krimi, einer der Jugendlichen soll einen Mord begangen haben.


Melba Escobar de Nogales: Das Glück ist ein Fisch. Eine Erzählung aus Kolumbien

illustriert von Elizabeth Builes, übersetzt von Jochen Weber, 112 Seiten, Baobab Books, 15,90 Euro, ab 9

ISBN-10: 3905804832 ISBN-13: 978-3905804836

Vielfaltsmerkmale: Scheidung der Eltern, Ängste, Wut, Verzweiflung eines Jungen, Koloniale Sichtweisen

Kimi-Faktor: Fantastisch realistisch wird die Gefühlswelt eines Jungen erzählt, der sich mit der Trennung seiner Eltern auseinandersetzen muss.

Den Urlaub hatte sich Pedro aber ganz anders vorgestellt! Dabei hatte er sich so auf das Meer gefreut. Und nun erfährt er von seiner Mutter, kaum auf der Insel angekommen, dass seine Eltern ihn angelogen haben: der Vater ist nicht wegen seiner Arbeit nicht mitgeflogen, sondern weil sich seine Eltern getrennt haben. Zutiefst verzweifelt läuft Pedro weg, ans Meer. Nachts wird er von einem alten Schwarzen aufgelesen, einem Außenseiter, der weit weg von den Inselbewohner*innen mit einer äußerst redseligen Papageiendame in einer selbstgebauten Hütte lebt. Wie kommt es, dass der alte Mann Jonny Tay heißt, genauso wie der berühmte Seeräuber? Was ist Fantasie? Was Wirklichkeit? Zum Einschlafen erzählt die Papageiendame Pedro Geschichten von Piraten und sagenhaften Schätzen. Am nächsten Morgen nimmt ihn Jonny Tay mit hinaus aufs Meer und zeigt ihm die faszinierende Unterwasserwelt der Karibik. Pedro fängt seinen ersten Fisch und lernt, dass er stark genug ist, mit der Trennung seiner Eltern klar zu kommen. Und als ihn seine Mutter schließlich nach tagelangem verzweifeltem Suchen findet, ist die Welt vielleicht nicht wieder völlig in Ordnung, aber Pedro kann die veränderte Familiensituation akzeptieren. 

Das sagt die Kinder-Jury:

Eine Geschichte aus Kolumbien mit einem Protagonisten, der auf Mangobäume klettert und Brotfrucht isst. Eine Welt, die weit weg erscheint und trotzdem können sich viele Kinder leicht mit Pedro und seiner Gefühlswelt, wie der Wut über die Trennung der Eltern, identifizieren. Ein Thema, das die Kinder besonders beschäftigte, waren die Vorurteile, welche die Inselbewohner gegen Johnny Tay äußerten und die sich schließlich nicht bewahrheiteten. Begeistert war die Jury auch von der Gestaltung des Buches und den zarten Illustrationen von Elizabeth Buile, die oftmals ganze Seiten im Buch einnehmen und von der Jury als ausgesprochen schön und besonders empfunden wurden. 

Das sagt die Erwachsenen-Jury: 

Anschaulich wird geschildert, welche Gefühle die Trennung der Eltern bei Pedro auslöst, eine Krisensituation, die einige Kinder und Jugendliche erlebt haben. Rettung wird ihm zuteil durch den Schwarzen Außenseiter Jonny Tay. Diese Konstruktion ist ein beliebtes Stilmittel in der weißen US-amerikanischen Literatur und hat ihren Ursprung in der Verklärung der Sklaverei, wo weiße Sklavenhalter Schwarze gezwungen haben, sich um die weißen Kinder zu kümmern. Dadurch erhält die Geschichte einen negativen Beigeschmack, der aber konstruktiv besprochen werden kann.

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Thomas Engelhardt & Monika Osberghaus: Im Gefängnis. Ein Kinderbuch über das Leben hinter Gittern

illustriert von Susann Hesselbarth, 92 Seiten, Klett Kinderbuch, 14 Euro, ab 8 Jahren


ISBN-10: 3954701863 ISBN-13: 978-3954

701865
Vielfaltmerkmale:
Familienkonzept, Gefühle aus verschiedenen Sichtweisen erfahrbar machen, Armut

Der KIMI-Faktor:
Das Buch öffnet in kindgerechter Ernsthaftigkeit die Tür ins Gefängnis und beschreibt das Leben „hinter Gittern“. Dabei gibt es authentische Einblicke in die Gefühlswelten der Hauptcharaktere in dieser belastenden Situation.
Sehr realistisch wird die Alleinerziehenden-Familiensituation und die dadurch plötzlich entstehenden Probleme u.a. auch finanzieller Natur erzählt.

Inhalt:
Eine spannende Krimigeschichte endet auch für Kinder im besten Fall damit, dass ein Verbrechen aufgeklärt wird und die Verantwortlichen im Gefängnis landen. So weit, so gut. Aber dann? Was passiert in einem Gefängnis? Wie sieht es dort aus? Wie lebt es sich dort? Diesen Fragen sind Monika Osberghaus und Thomas Engelhardt in monatelangen Recherchen und Interviews nachgegangen.
Ein erzählendes Sachbuch ist entstanden.

Erzählend, denn es geht einerseits um Sina, ihre Mutter Janine und besonders ihren Vater Robert, der einen Raubüberfall begangen hat und dafür einsitzen muss. Abwechselnd werden Sinas Sicht auf die Dinge, ihre Gefühle, die großen Nöte wie die kleinen Freuden geschildert. Andererseits ist „Im Gefängnis“ ein Sachbuch, denn immer wieder gesellt sich zur besonderen Familiengeschichte eine Faktenebene, die anschaulich und nichts beschönigend, dennoch kindgerecht den Weg vom Verbrechen, über das Gerichtsverfahren, die Haftzeit und die Wiedereingliederung danach beschreibt. Das ungewöhnliche Thema ist sachlich wie emotional genau und detailreich ausgeleuchtet.

Das sagt die Kinder-Jury:
Das Buch wurde recht unterschiedlich aufgenommen: Manchen Kindern gefiel die Erzählebene besser – mit der kindlichen Hauptprotagonistin Sina hatten sie eine Figur, mit der sie sich gut identifizieren und in deren Geschichte sie sich leicht hinein fühlen konnten. Andere waren eher von der Faktenebene mit ihren Schautafeln und Sachinformationen gefesselt. Einige Kinder fanden den Wechsel zwischen Nach- und Erzählebene allerdings ein wenig verwirrend.
Allgemein fanden die Kinder die Thematik sehr spannend, denn sie wussten vorher kaum etwas über den Alltag in einem Gefängnis und wie sich dieser auf eine Familie und somit eben auch auf das Leben vieler Kinder auswirken kann.

Das sagt die Erwachsene-Jury:
Erzählendes Kinderbuch und Sachbuch in einem, hier gelingt den Autor*innen ein großer Wurf! Aus der Kinderperspektive wird einfühlsam geschildert, wie es Sina damit geht, dass ihr Papa für einige Jahre ins Gefängnis muss, worunter sie leidet und was ihr Freude und Zuversicht gibt. Dabei bleibt die ethische Diskussion über den vom Vater begangenen Raubüberfall und seine Spielsucht außen vor. Damit wäre das Buch sicherlich überfrachtet gewesen. Die ansprechenden, in hellen Tönen gehaltenen Illustrationen im Comic Stil tragen dazu bei, dass der Inhalt nicht zu schwer und bedrückend wirkt. Altersgerecht und sehr informativ wird Wissen zum Thema präsentiert, das sicherlich auch für einige Erwachsene interessant ist. 

Beatrice Alemagna: Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte

übersetzt von Anja Kootz, 46 Seiten, Beltz & Gelberg, 14,95 Euro, ab 5 Jahren

ISBN-10: 9783407823816 ISBN-13: 978-3407823816

Vielfaltmerkmale:
Familienkonzept, Geschlechterrollen

Der KIMI-Faktor:
Der*die Held*in des Buches ist keinem eindeutigen Geschlecht zuzuordnen – und dieses Buch beweist, dass das Geschlecht eines Charakters gar keine Rolle spielen muss bei einer überzeugenden Geschichte.
Die Mutter des Kindes ist berufstätig, muss auch im Urlaub arbeiten und hat somit keine Zeit für das Kind – eine Lebensrealität, die vielen Familien entspricht.
Das Buch lässt offen, ob die Eltern des Kindes getrennt sind – oder der Vater einfach gerade woanders ist und bietet hier vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. Sehr sensibel wird beschrieben, wie das Kind seinen Papa vermisst – aber auch die schöne Vertrautheit zwischen Mutter und Kind am Ende des Tages.
Das Thema Unterhaltungselektronik wird aufgegriffen – der Zwiespalt zwischen Erwachsenen und Kindern, wenn die Erwachsenen dem Kind Spielekonsole, Handy o.ä. verbieten, aber selbst am Computer sitzen. Und was Schönes passieren kann, wenn die Spielekonsole plötzlich verloren geht und die Augen sich für die Natur öffnen.

Inhalt:
Ist es nicht furchtbar langweilig, wenn man in den Ferien ist und es den ganzen Tag regnet? Papa ist nicht da und Mama arbeitet die ganze Zeit am Computer. Was bleibt dem Kind da anderes übrig, als auf der Mini-Spielekonsole Marsmännchen zu töten? Obwohl die Mutter selbst am Computer sitzt, möchte sie nicht, dass das Kind stundenlang vor dem Gerät sitzt und nimmt ihr das Spiel weg. Heimlich holt sich das Kind die Konsole zurück und verschwindet nach Draußen. Am Teich passiert es dann:

Die Konsole landet unwiederbringlich im Wasser! Und fast wie von selbst öffnen sich dem Kind die Schätze der Natur: es wühlt in der Erde und spürt Körnchen und Wurzeln, es trinkt den Regen, führt Fantasie-Gespräche mit Schnecken, sammelt bunte Steine, erlebt kleine Abenteuer und kehrt schließlich patschnass ins Haus zurück. Bei einer heißen Tasse Schokolade sehen wir das Kind und die Mama beieinander sitzen. „Es brauchte nur das. Sonst nichts. An diesem magischen, unglaublichen Tag voller Nichts.“
Auf großflächigen Bildern begleiten wir das Kind auf seiner Entdeckungsreise durch den Wald. Seine leuchtend orange Jacke sticht deutlich aus den erdigen Tönen der Natur hervor. Ganz nah kommen wir dabei dem Kind in seinem sinnlichen Naturerleben, das die Geschichte als Ich-Erzähler*in mit uns teilt. Und auch wir lernen dabei, dass es nur den genauen Blick braucht, um die interessanten Dinge zu entdecken, die uns umgeben

Das sagt die Kinder-Jury:
Vielen Kindern hat das Buch sehr gut gefallen, für sie waren Bilder und Text sehr sprachanregend. Sie hatten viele Ideen, was das Kind machen könnte, nachdem die Spielekonsole ins Wasser gefallen ist. Andere Kinder haben nur schwer Zugang zum Buch gefunden und fragten, wo der Vater sei – waren aber an den Bildern interessiert.

Das sagt die Erwachsenen-Jury:
Das Buch ist optisch anregend durch das Farbenspiel: Kind in knalligem Orange und Umgebung in Erdtönen. Der Titel lässt Fragen im Kopf entstehen „Warum sollte man ein Buch über einen Tag machen, an dem fast nichts passierte“? Man bekommt Lust, zu erfahren, was das soll.
Ganz nebenbei kann man das Thema Trennung der Eltern erahnen – und den Schmerz des Kindes darüber, dass der Vater nicht da ist.
Auch nicht selbstverständlich in vielen Bilderbüchern: Die Mutter ist berufstätig und muss auch im Urlaub am Computer arbeiten. Das entspricht gerade in Ein-Elter-Familien oft der Lebensrealität.
Nicht viele Kinderbücher haben Held*innen, die eine Brille tragen. Auch ist das Kind von seinem Äußeren her und im Dialog mit der Mutter keinem Geschlecht zu zuordnen.
Das Buch erzählt eine stimmige und überzeugende Geschichte, in der verschiedene, durchaus schmerzhafte Kindeserfahrungen eingewoben wurden: Vermissen eines Elternteils und das Erleben, dass der anwesende Elternteil keine Zeit hat und arbeiten muss, obwohl man zusammen in den Ferien ist.

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