Christian Duda: Milchgesicht

erschienen bei Beltz & Gelberg, ab 16 Jahren

Vielfaltskriterien: Beeinträchtigung, Ausgrenzung, Gender

KIMI-Faktor: Es gibt wenig Romane für Jugendliche, die Beeinträchtigung in früheren Jahrzehnten schildern. „Milchgesicht“ wagt diese Perspektive und erzählt, wie ein Kind ausgegrenzt wird. Aber nicht nur das: In der Beziehung zu seiner Pflegemutter wird auch die Rolle der Frau in der bäuerlichen Gesellschaft der 1950er Jahre entfaltet. Authentisch, aber auch radikal erzählt,kann der Roman aufwühlen, irritieren und menschliche Verhaltensmuster neu denken.

Inhalt: In „Milchgesicht“ blickt ein Ich-Erzähler auf Sepp, einen Jungen, dessen Schicksal in der Familie verschwiegen wurde. Der Erzähler jedoch möchte den „Versuch“ wagen, „einem Leben Gestalt zu geben“, eine Geschichte zu erzählen, die „ja keine Geschichte ist“ (S. 18). Die Geschichte basiert auf Dokumenten und Fotos, die er in der Schublade seiner verstorbenen Großmutter entdeckt hat und anhand derer er versucht, das Leben des Jungen Josef, von allen Sepp genannt, zu erzählen. Die Handlung spielt in den 1950er-Jahren in der Steiermark, das Leben ist von harter Arbeit, Entbehrungen, aber auch Langeweile gekennzeichnet.Es findet weder ein kultureller noch ein sozialer oder genetischer Austausch statt. Die Menschen arbeiten, leben in Großfamilien. Sepp, dessen „Haut schon auffallend weiß“ ist (S. 21), verträgt die Sonne nicht und macht den Eltern zu viel Arbeit. Er wird zu einer Tante, einer alleinstehenden Frau, gebracht, die sich um ihn kümmert. Hier erlebt er Liebe, aber außerhalb der kleinen Wohnung wird er nicht wahrgenommen, sondern oft verspottet. Er wächst heran, die Tante wird, da sie Abtreibungen durchgeführt hat, verhaftet. Sepp kommt in eine Klinik und wird von einem Fachmann für Bewusstseinsstörungen untersucht: Nach einerLobotomie kann er kein eigenständiges Leben mehr führen.

Christian Duda beschreibt in „Milchgesicht“ eine Gesellschaft, in der Glaube und harte Arbeit das Leben der Menschen bestimmen und Anderssein nicht akzeptiert wird. Dudas Sprache ist karg, aber auch mit Untertönen, in denen der Erzähler provoziert und Sympathien/ Antipathien steuert.

Jurystimme: „Ein besonderer Roman, der über einen Jungen mit Beeinträchtigung erzählt, aber auch von der Brutalität der Gesellschaft.“