Nikola Huppertz & Tobias Krejtschi: Meine Mutter, die Fee

36 Seiten, Tulipan, 15 Euro, ab 4 Jahren

Vielfaltmerkmale:
Psychische Erkrankung, Geschlechterrollen

ISBN-10: 9783864293696 ISBN-13: 978-3864293696

Der KIMI-Faktor:
Das Buch versucht ein für junge Kinder schwer greifbares Thema fassbar zu machen: Depression. Obwohl etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann im Laufe des Lebens von einer Depression betroffen ist – und damit auch viele Eltern – findet das Thema in Kinder- und Jugendbüchern viel zu selten statt.
Die Rolle des Vaters ist sehr spannend. Körperlich sehr groß und stark gezeichnet, widerspricht sein Handeln vielen üblichen Geschlechterklischees: Er macht den Haushalt, pflegt die Mutter, ist sehr sanft und sensibel und immer für die Tochter da.

Inhalt:
Es ist die Geschichte des Mädchens Fridi, das erleben muss, dass die Mutter immer stärker an einer Depression leidet und sich verändert.
Schon das erste großflächige Bild des Buches zeigt, wie schwer diese Geschichte ist: Die Mutter liegt geschwächt im Nachthemd auf dem Sofa, abgewandt, Fridi

steht in der Tür und schaut hilflos zu ihrer Mutter – die unendlich weit weg erscheint. Der Text unterstreicht den inneren Kampf des Kindes – die „Anderen“ sagen: „Fridi, deine Mutter ist verrückt“. Aber Fridi will ihre Mutter nicht verrückt finden.
Und dann gibt es auch die Momente der Nähe – Fridi und die Mama schauen sich Bücher an, die Mama liest Gedichte vor, spielt für ihr Kind Querflöte.
Aber die ganze Zeit bleibt ein latent ungutes Gefühl – symbolisch angedeutet durch immer mehr vertrocknende Blumen im Hintergrund. Und die für ein Kinderbuch ungewöhnlichen Bilder, die an den Wänden der Wohnung hängen: Böcklins „Toteninsel“, der „Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich und die „Abendlandschaft mit zwei Männern“. Auch die gedämpfte Farbgebung und der leichte Grauschleier, der die großflächigen Illustrationen überzieht, unterstreichen die melancholische Stimmung, die in der Familie herrscht. Als die Mutter sich immer mehr zurückzieht und auch ihre Musikschüler*innen vor der Tür stehen lässt, wandelt sich Fridis Stimmung in Wut: „Du bist ja doch verrückt! (…) Geh weg!“
Da tritt der Vater ins Bild: Ein großer, sehr stark wirkender Papa, ein echter Held. Auf den ersten Blick – auf den zweiten ist er sehr sensibel, übernimmt die Hausarbeiten, versorgt die Mutter. Der Vater erklärt Fridi, dass die Mutter eine Fee sei. Und nun ahnt man auch, was die angedeuteten Flügel, die die Mutter von Anfang an trägt, zu bedeuten haben.
Aber für Fridi ist ihre Mutter keine Fee, denn ihrer Ansicht nach sind Feen schön, und das sei die Mutter mit ihrem Nachthemd und den verstrubbelten Haaren nicht.
Der Zustand der Mutter verschlechtert sich zusehens, sie verlässt das Bett nicht mehr, liest nichts, redet nicht, hört „der Erde beim Rauschen zu“.
Der Vater versucht seiner Tochter zu erklären, dass die Mutter nun für einige Zeit fort muss – offensichtlich in eine Klinik. Er nennt das „die Welt der Feen“.
Bevor sich die Mutter auf „die Reise macht“, geht Fridi noch einmal zu ihr – und aus den angedeuteten Flügeln sind nun echte Feenflügel geworden. Die Mutter spielt nun noch einmal auf der Flöte und Fridi sieht: Ihre Mama ist tatsächlich eine Fee.
Schließlich ist die Mutter fort – und Fridi fürchtet, dass sie nicht wiederkommt. Auf der letzten Doppelseite sieht man ein sehr inniges, zärtliches Vater-Tochter-Bild.
Der Vater versichert, dass die Mama wieder nach Hause kommen wird – und Fridi fällt ein, „dass eine Fee für immer zu den Menschen gehört, denen sie sich zu erkennen gibt“, wie auch das Familienbild aus glücklichen Tagen auf der Kommode beweist.

Das sagt die Kinder-Jury:
Fridi als Heldin des Buches wurde sehr gemocht.
Einige Kinder waren irritiert darüber, dass die Mutter eine Fee ist. Sie diskutierten heftig darüber, ob das wirklich sein könne, ob ihre Flügel „echt“ seien und was das alles bedeute.
Insgesamt war das Thema „psychische Erkrankung“ eines Elternteils in dieser Form neu für die Kinder und es ergaben sich viele Fragen und Diskussionen.
Für andere Kinder war der Vater die interessantere Figur, die physisch sehr stark wirkend eine große Gefühlstiefe und Zärtlichkeit bietet. Und damit ganz anders ist als so große, starke Männerfiguren in anderen Büchern.

Das sagt die Erwachsenen-Jury:
Die Geschichte ist sehr poetisch und berührend – die Illustrationen unterstreichen das wunderschön.
Der innere Konflikt von Fridi – das Bild der Mutter zu bewahren, sie nicht als „Verrückte“ sehen zu wollen, aber dann der Zusammenbruch der heilen Welt, Wut, Enttäuschung, Angst vor Verlust – wird sehr authentisch und überzeugend dargestellt.
Aus unserer Sicht wäre es allerdings notwendig, dass Fridi neben der tröstenden Erklärung, dass die Mutter eine Fee sei, doch auch eine sachlich richtige, altersangemessene Begründung für den Seelenzustand ihrer Mutter erhält.
Die Thematik hat manches Kita-Kind überfordert: Möglicherweise ist dieses Buch eher für Kinder im Grundschulalter empfehlenswert.

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